Wissenschaftler unter Federführung der Europäischen
Südsternwarte (ESO) und der Universität Bonn beobachteten erstmals an dem Roten
Riesen „R Sculptoris“ mit einem Teleskop, wie viel Materie durch einen
thermischen Puls von dem Stern in den Weltraum hinausgeblasen wird. Überraschenderweise
entdeckten sie dabei, dass das freigesetzte Gas eine Spirale um den Roten
Riesen bildet. Durch diese Beobachtungen werden fundamental neue Einblicke
möglich, wie durch den Wind von Roten Riesen Sternenstaub in den Weltraum
verfrachtet wird und dort zum Aufbau der Materie beiträgt. Die Ergebnisse
stellen die Forscher in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachjournals
„Nature“ vor.
Die Menschen und die ganze Welt besteht letztlich aus
Sternenstaub. Die chemischen Elemente, aus denen sich sämtliche Materie
zusammensetzt, werden nämlich durch Kernverschmelzung im Innern von Sternen
geboren. „Sie werden dann an die Oberfläche transportiert und als Gas und Staub
in den Weltraum hinausgeblasen – in einem Wind von der Oberfläche des Sterns,
der dadurch ständig an Masse verliert“, berichtet Erstautor Dr. Matthias
Maercker, Wissenschaftler am Argelander-Institut für Astronomie und Stipendiat
der Europäischen Südsternwarte (ESO). Die neuen Elemente werden dann gebildet,
wenn es im Stern zu einem „thermischen Puls“ kommt. Gleichzeitig wird in kurzer
Zeit viel mehr Materie bei einer höheren Geschwindigkeit von der
Sternoberfläche ins All geblasen als sonst. So ein Ereignis findet jedoch nur
etwa alle 50.000 Jahre statt und dauert nur wenige hundert Jahre.
Wie eine gigantische Blase aus Staub und Gas
Für die Wissenschaftler sind jedoch diese seltenen Ausbrüche
besonders interessant, weil sie dabei viel über den Strom der chemischen
Elemente von den Sternen als Geburtsstätten in den Weltraum hinaus lernen
können. „Die zusätzliche Materie und erhöhte Geschwindigkeit des Windes während
des thermischen Pulses führen dazu, dass Gas und Staub sich in Form einer
gigantischen, sehr dünnen Blase ausbreiten, die sich daraufhin um den Stern
herum immer weiter aufbläht“, beschreibt Dr. Maercker. Die Überlebensdauer
dieser Blasen durch thermische Pulse ist relativ kurz, weshalb man sie bis
jetzt nur um etwa zehn Rote Riesen entdeckt hat.
Von dem Roten Riesen „R Sculptoris“ ist bereits seit Ende
der 80er Jahre bekannt, dass ihn eine solche Blase umgibt. Ein Roter Riese ist
ein alter Stern von großer Ausdehnung, der besonders hell leuchtet. Wenn sich
unsere Sonne am Ende ihres Lebens befindet, wird auch sie sich zu einem Roten
Riesen entwickeln. Bilder von R Sculptoris lieferte bereits das
Weltraumteleskop Hubble. Maercker hat zu diesen Hubble-Bildern zuvor seine
Promotion angefertigt. „Hubble zeigt jedoch nur die Staubblase um R
Sculptoris“, berichtet er. „Die ausgeworfenen Gase sind mit dem Teleskop nicht
zu erkennen.“
Das ALMA-Teleskop ermöglichte überraschende Einblicke
Seit langem versuchen Wissenschaftler, diese Blasen genauer
in Augenschein zu nehmen, um mehr über den Transport von chemischen Elementen
ins Weltall zu erfahren. Die Wissenschaftler nutzten nun das neue
ALMA-Teleskop, das in der Gipfelregion der chilenischen Atacama-Wüste
Radiowellen empfängt. „Dieses Teleskop verfügt über eine sehr hohe Auflösung
und kann auch Gase messen“, sagt Maercker. ALMA nahm den Ausstoß von
Kohlenmonoxid des Roten Riesen R Sculptoris genau unter die Lupe. Zusammen mit
Wissenschaftlern der Europäischen Südsternwarte (ESO) und Forschern aus Chile,
Südafrika, Schweden, Österreich und Belgien bereitete der Bonner Forscher die
Messdaten auf und wertete sie aus.
Eine Spirale aus Gas windet sich um den Roten Riesen
Dabei förderte das Team Überraschendes zutage: Die
Beobachtungen zeigten nicht nur die erwartete Blase aus Gas, sondern auch, dass
der Wind des Sterns eine Spirale wie von einem galaktischen Kreisel um den
Roten Riesen bildet. „Wir hätten nie gedacht, dass wir gleichzeitig eine Blase
und eine Spirale beobachten können“, sagt Dr. Maercker. Die Ursache dieser
eigentümlichen Erscheinung ist ein Begleitstern, der R Sculptoris umkreist.
„Die Gravitation des Begleitsterns fokussiert den Wind um den Roten Riesen
hinter sich. Die Bewegung des Begleitsterns um R Sculptoris prägt dann eine
Spirale in den Wind aus Gas und Staub“, berichtet der Bonner Wissenschaftler.
Damit wird das Material zwischen Blase und Stern in einzigartiger Weise
sichtbar. Die Spirale umfasst fünf Windungen. Daraus schlossen die Forscher,
dass der Begleitstern seit des thermischen Pulses R Sculptoris insgesamt fünf
Mal umkreiste und dabei die von dem Stern ausgestoßenen Gase entsprechend in
Form gebracht hat. „Die Beobachtungen von ALMA ergeben, dass sich die Blase mit
einer Geschwindigkeit von 14 Kilometern pro Stunde ausbreitet. Zusammen mit der
Größe der Blase ergibt das ein Alter von rund 1800 Jahren. Daraus ergibt sich
eine Umlaufdauer des Begleitsterns von rund 350 Jahren“, rechnet Dr. Maercker
vor.
Gigantischer Massenverlust während des thermischen Pulses
Zusätzlich lässt sich aus dem Abstand der einzelnen
Windungen und der Umlaufdauer des Begleitsterns berechnen, wie sich die
Geschwindigkeit des Windes vom Roten Riesen seit dem Ausstoß der Blase
verändert hat. Die Helligkeit der einzelnen Windungen macht es möglich, die
Menge an Materie zu bestimmen, die zu jedem Zeitpunkt in den letzten 1800
Jahren vom Stern weggeblasen wurde. „Damit konnten wir erstmals beobachten, wie
ein Stern während und nach einem thermischen Puls Materie verliert“, sagt Dr.
Maercker. „Der Massenverlust während eines Pulses ist rund 30 Mal größer als
während der pulsfreien Zeiten“, berichtet der Astronom. „Das ist rund drei Mal
mehr, als bislang vermutet wurde.“ Bisher entzog sich dieses Phänomen während
eines thermischen Pulses der Beobachtung und war nur Gegenstand theoretischer
Betrachtungen. „Unsere Ergebnisse liefern erstmals durch Beobachtung die
Grundlage, noch viel mehr über den Ausstoß der in den Sternen generierten
chemischen Elemente ins Weltall zu erfahren“, sagt Dr. Maercker.
Publikation:
Unexpectedly large mass loss during the thermal pulse cycle of the red giant R.
Sculptoris, Fachjournal „Nature“, DOI: 10.1038/nature11511
Quelle: www.uni-bonn.de