Seit Anfang 2011 helfen Ärzte am Zentrum für Seltene
Erkrankungen (ZSEB) des Universitätsklinikums Bonn in einem interdisziplinären
Ansatz Menschen, die an einer seltenen Erkrankung leiden. Die Zusammenfassung
von Experten verschiedener Disziplinen im ZSEB hilft, Patienten eine Ärzteodyssee von
Spezialist zu Spezialist zu ersparen. Bislang stand das ZSEB neben ratsuchenden
niedergelassenen Ärzten nur Patienten offen, bei
denen eine seltene Erkrankung bereits diagnostiziert wurde. Mit Unterstützung
durch die Medizinische Fakultät der Universität Bonn und das
Universitätsklinikum erweitert das ZSEB sein Angebot und steht nun auch
Patienten ohne Diagnose unter bestimmten Bedingungen als Anlaufstelle zur Verfügung.
In Deutschland leben nach Schätzungen drei bis vier
Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Als selten bezeichnet man Krankheiten, deren Häufigkeit
unter 1 zu 2.000 bezogen auf die Gesamtbevölkerung
liegt. Bei 80 Millionen Deutschen können also
immerhin bis zu 40.000 Menschen von einem einzigen derartigen Leiden betroffen
sein. Die Anzahl aller seltenen Krankheiten wird auf 5.000 bis 8.000 geschätzt.
Das Universitätsklinikum Bonn arbeitet bereits seit vielen
Jahren an der Behandlung und Erforschung einer Reihe seltener Erkrankungen.
Dazu zählen bestimmte Bewegungsstörungen, Epilepsien, Formen des erblichen
Darmkrebses, seltene Augenerkrankungen oder angeborene Fehlbildungen des
Darmes. Anfang 2011 wurde am Universitätsklinikum Bonn das erste Zentrum für
Seltene Erkrankungen (ZSEB) in Nordrhein-Westfalen mit dem Ziel gegründet,
Diagnose und Therapie solcher Krankheiten voranzutreiben.
Die meisten dieser Patienten haben einen langen Weg hinter sich
Die Entscheidung, sich für Patienten ohne eine bereits
erfolgte Diagnose zu öffnen, fiel wohlüberlegt: Es
besteht immer eine realistische Möglichkeit,
dass bei Patienten ohne Diagnose eine seltene Erkrankung vorliegt, die nicht
erkannt wurde, weil nur wenige Experten mit den jeweiligen Symptomen vertraut
genug sind, sagt Prof. Dr. Thomas
Klockgether, der das ZSEB am Bonner Universitätsklinikum
leitet. Die meisten dieser Patienten haben
bereits einen langen diagnostischen Weg hinter sich, der einen hohen Zeit- und
Kostenaufwand verursacht hat. Es besteht dann die Gefahr, dass der Fall mit der Diagnose Somatisierungsstörung ad acta gelegt wird.
Voraussetzung dafür, dass Patienten ohne Diagnose im ZSEB
vorstellig werden können, ist ein ausführlicher schriftlicher Bericht des
behandelnden Arztes. An der Prüfung dieser Berichte werden Studierende in
höheren klinischen Semestern beteiligt sein. Sie sollen die bereits erfolgten
Untersuchungen und die daraus resultierenden Befunde sichten, ordnen und ein Gesamtbild
zusammenzusetzen, aus dem sich Vorschläge für weitere notwendige oder geeignete
Untersuchungen ergeben. Über die abschließende Vorgehensweise entscheidet ein
verantwortlicher Arzt, dem die Studenten ihre Ergebnisse vorlegen.
Erhärtet sich der Verdacht auf eine seltene Erkrankung, wird
der Patient dann je nach Bedarf in einer interdisziplinären Fallkonferenz
vorgestellt und diskutiert oder von einem Vertreter der geeigneten Disziplin
untersucht. Auf Basis des Ergebnisses der Fallkonferenz werden dann die weitere
ambulante oder stationäre Diagnostik und Behandlung geplant.
Patienten, die ohne entsprechende Diagnose vermuten, an
einer seltenen Erkrankung zu leiden, können sich direkt an das ZSEB wenden.
Weitere Informationen gibt es unter: http://ukb.uni-bonn.de/zseb
Ein Videostatement von Prof. Dr. Thomas Klockgether ist
abrufbar unter https://www.uni-bonn.tv/podcasts/20121023__Statement_Klockgether.mp4/view
Quelle: www.uni-bonn.de