25. Oktober 2012

Warnung vor "Verbraucherschutz.de"


Ein Empfehlungssiegel samt "Vertrauensvorschuss" hat der Verein VBS Verbraucherschutz e.V. an bundesweit rund 150 Firmen gepappt. Das dubiose Treiben unter dem "Ehrenkodex" des VBS beschäftigt mittlerweile die Gerichte. Verbraucher und Unternehmen sollten gewarnt sein.

Ein Empfehlungssiegel samt "Vertrauensvorschuss" hat der Verein VBS Verbraucherschutz e.V. an bundesweit rund 150 Firmen gepappt. Die können für eine Gebühr von bis zu mehreren Tausend Euro mit dem "verbraucherschutz.de"-Siegel auf Kundenfang gehen: mit oftmals merkwürdigen Dienstleistungen. Das dubiose Treiben unter dem "Ehrenkodex" des VBS beschäftigt mittlerweile die Gerichte. Verbraucher und Unternehmen sollten gewarnt sein.

Die in Deutschland verbotene wöchentliche Beteiligung an Lotto und anderen Glücksspielen per Internet offerierte der VIP50-Club. Von unerlaubter Telefonakquise bis zu ignorierten Kündigungen reichen bisher die zahlreichen Vorwürfe von Verbrauchern.

Partnerinnen aus Brasilien will ein Internetportal teuer vermitteln: via Firmensitz in Rio de Janeiro und deutscher Telefonnummer, die - für Anrufer nicht erkennbar - nach Brasilien weitergeleitet wird.

Die Web-Seiten des Rabatt-Clubs "Deutsche Vorteilskarte" sind seit Monaten nicht erreichbar. "Die Bank in Gibraltar", so die Auskunft am Telefon, stehe nicht mehr hinter dem Kreditkarten-Projekt, bei dem "auch negative SCHUFA-Einträge kein Hindernis bei der Ausstellung" waren.

"Respekt", rief und ruft da der VBS Verbraucherschutz. Der gemeinnützige Verein aus Seevetal bei Hamburg meint das durchaus ernst; so ernst, dass er die Firmen mit einem Siegel ausgezeichnet hat: einem stempelartigen runden Empfehlungszeichen. Die Begründung dafür ist skurril: Das merkwürdige Trio stelle sich als "besonders vertrauenswürdig und verbraucherfreundlich dar".

Mit dem Stempel gehen bundesweit mittlerweile rund 150 Unternehmen auf Kundenfang. Allesamt "ehrbare Kaufleute", die der Verein überwiegend in eher problematischen Branchen entdeckt haben will. So ist jede dritte von VBS empfohlene Firma entweder als Schlüsseldienst, Finanzdienstleister oder Bestatter tätig.

Andere "glaubwürdige Dienstleister auf höchstem Niveau" verkaufen Hilfe, die nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW kein Haushalt braucht: darunter ein Schlüsseldienst, der für ein Service-Abo 2,95 Euro im Monat kassiert, ein Abmahn-Portal, ein Berater für Firmengründungen auf Malta oder ein Sicherheitsdienst.

Sie alle stehen laut VBS unter Kontrolle von nicht weniger als "100 Millionen Verbrauchern". Die Überwachung findet vornehmlich auf der vereinseigenen Internetseite statt. Die dokumentiert und kommentiert den Kunden-Ärger mit diversen Firmen. Rund 16.500 Mitglieder haben sich angeblich kostenlos registriert.

Die unter der Rubrik "Erfolge" ausgewiesene Bilanz ist bislang eher mager. 126 Erfolge in rund zwei Jahren führte die Seite im September auf, gerade mal drei davon in den letzten beiden Monaten. Darunter ist auch eine Anfrage nach "evtl. Nebenkosten bei einem Handyvertrag", die der Anbieter der Einfachheit wegen selbst - verneinend - beantwortet.

Verbraucherschutz a la VBS ähnelt häufig dem "Weiterleiten"-Button im E-Mail-Konto. Trudeln Beschwerden auf der Seite ein, gehen sie zu den beklagten Firmen. Deren Antworten - auch wenn sie oftmals nicht auf die Anfrage eingehen - werden dazugestellt.

Ein "Schlagzeilen"-Laufband vermeldete wochenlang "Großen Erfolg", weil eine "Terrorrufnummer" abgeschaltet worden sei, direkt gefolgt von der Warnung, dass die Nummer "trotz Abschaltung" weiter Kosten auf Telefonrechnungen produziere.

Noch verwirrender erscheint die Seevetaler Verbraucherschutz-Welt, wenn die "ehrbaren Kaufleute" im Feuer der Kritik stehen. Und das passiert oft. Immer wieder finden Kunden, "die Erteilung eines Verbraucherschutz-Siegels schon sehr erstaunlich" oder bitten dringlich darum, Firmen "einstweilen nicht weiter zu empfehlen". Wenig glaubhaft wirkt es dann, wenn VBS wie ein Mantra beteuert, "sehr wohl auf der Seite der Verbraucher" zu stehen - aber von den umstrittenen Firmen dennoch nicht lassen will.

Beim Karten-Vermittler Ticketbande brachten nicht einmal Dutzende Beschwerden binnen eines Jahres die Empfehlung ins Wanken. Schließlich gab’s auf jede Anfrage, die der Verein weiterleitete, eine Antwort.

Der VBS sei "vor allem daran interessiert, die Unternehmen zu schützen", schimpfte auch ein Nutzer via Youtube. Anlass der zweiminütigen Wutrede per Internetvideo: der Versuch, das empfohlene Unternehmen Fluege.de anzuprangern. Seine Beschwerden seien abgeändert worden, "so dass alles aussah, als sei die Sache zur Zufriedenheit geklärt".

Andere Ausgezeichnete sorgten gleich selbst für ihre heile Firmen-Welt. So finden sich zum Direktvertrieb von Trisana Naturprodukten, darunter umstrittene Nahrungsergänzungsmittel, gleich 25 Kommentare. Verfasser der hymnenartigen Ergüsse ("Danke Trisana!") sind zumeist Vertriebspartner und Mitarbeiter.

Vielleicht ist es diese Dauer-Lobhudelei, die den VBS darin bestärkt, goldrichtig mit seinem immensen "Vertrauensvorschuss" zu liegen. "Man darf ja nicht vergessen, dass es sich bei unserem Empfehlungszeichen nicht um eine einmalige Prüfung, wie z.B. bei Gütesiegeln handelt", sagt Sprecherin Gunda Lauckenmann, "sondern dass es hierbei um dauerhafte und permanente Qualität geht."

Wenig beeindruckt von der Qualität zeigte sich allerdings das Oberlandesgericht (OLG) Dresden (Az.: 14 U 167/12, rechtskräftig). Das untersagte der Unister GmbH auf ihren Internetportalen, wie etwa Fluege.de und Ab-in-den-Urlaub.de, mit dem "verbraucherschutz.de"-Siegel zu werben. Es entstehe der "irreführende Eindruck", die Empfehlungen beruhten auf einer objektiven Bewertungsmethode.

Das OLG-Urteil kommentierte der Verein gewohnt eigenwillig: "Fünf Richter an Landgerichten wurden vor den Kopf gestoßen. Es bleibt abzuwarten, ob sie diese Entscheidung auf sich sitzen lassen".

Nichtsdestoweniger sieht das Emblem neuerdings anders aus. Aus rund wurde eckig, aus "empfohlen" wurde "Empfehlung". Warum das aktuelle Zeichen jetzt "eine Verwechslung mit Gütesiegeln ganz klar" ausschließt, bleibt das Geheimnis des Vereins.

Genau wie die Finanzierung. Die Fragen der Verbraucherzentrale NRW dazu - sowie zu vielen anderen Merkwürdigkeiten - mochte Sprecherin Lauckenmann jedenfalls über Wochen partout nicht beantworten: "da wir ehrlich gesagt nicht genau wissen, wer uns die Fragen stellt".

Klar ist nur: An Euros kommt der Verein über eine ominöse "Verwaltungsgebühr", die Siegel-Träger berappen müssen. Präziser gegenüber der Verbraucherzentrale NRW ist da ein Ex-Schützling. "Circa 2000 Euro im Monat", sagt Nicole Neitzel vom bundesweit tätigen Matratzen-Outlet MFO, habe das Engagement gekostet: "für die "zwangsläufig entstehende Bearbeitung von Verbraucheranfragen".

Nur wenige Monate habe MFO gezahlt, dann habe die Matratzen-Kette das Siegel in den Filialen und im Internet abgehängt. Der Grund: "Mangelnde Seriosität". "Unser Unternehmen wurde nicht wirklich geprüft, sondern es wurde davon ausgegangen, dass wir alle Bedingungen erfüllen, die ein solches Siegel rechtfertigt", erinnert sich Neitzel.

Doch selbst zum abtrünnigen Matratzen-Outlet stehen die Seevetaler Siegel-Verkäufer bislang weiterhin in Treue fest: per Facebook und "Gefällt-mir"-Button.


Quelle: www.vz-nrw.de
Stand: 25.10.2012