Schwarzer Hautkrebs ist so gefährlich, weil er dazu neigt,
früh Metastasen zu bilden. Neue Behandlungsansätze nutzen unter anderem die
Fähigkeit der Immunabwehr, bösartige Zellen aufzuspüren und zu zerstören. Doch
diese Strategie ist oft nur vorübergehend wirksam. Warum dies so ist, haben
Forscherteams der Universität Bonn und der Universitätsmedizin Mainz
herausgefunden: In der durch die Behandlung verursachten Entzündungsreaktion
wandeln die Tumorzellen vorübergehend ihre äußere Gestalt und werden dadurch
für Abwehrzellen unsichtbar. Diese Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage
für die Verbesserung von Kombinationstherapien. Die Ergebnisse sind nun im
renommierten Fachjournal „Nature“ online abrufbar. Das Projekt wurde von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Deutschen Krebshilfe gefördert.
In Deutschland erkranken jährlich etwa 15.000 Menschen an
Schwarzem Hautkrebs, etwa 2.000 Menschen sterben pro Jahr daran. Das maligne
Melanom ist die Hautkrankheit, die am häufigsten tödlich verläuft. Die
besondere Bösartigkeit rührt daher, dass schon kleine Tumoren über die Lymph-
und Blutbahnen streuen können. Seit mehreren Jahren untersucht die
Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Thomas Tüting, Leiter des Labors für Experimentelle
Dermatologie am Universitätsklinikum Bonn und Leiter des Forschungsprojektes,
die Wirkung einer zielgerichteten Immuntherapie mit tumorspezifischen
Abwehrzellen.
Tumorzellen verhalten sich wie der Wolf im Schafspelz
In Versuchen mit Mäusen, die erblich bedingt an Schwarzem
Hautkrebs erkranken, gelang es den Forschern, mit sogenannten zytotoxischen
T-Zellen fortgeschrittene Tumore zu zerstören. „Aber sie kommen - genau wie bei
Patienten in der Klinik - nach einiger Zeit wieder“, erläutern Dr. Jennifer
Landsberg und Dr. Judith Kohlmeyer vom Labor für Experimentelle Dermatologie am
Universitätsklinikum Bonn und Erstautorinnen der Studie. Diese Therapieform
löst eine Entzündung aus. Nun fanden die Wissenschaftler heraus, dass die
Melanomzellen genau durch diese begleitende entzündliche Reaktion ihre äußere
Gestalt wandeln. „Sie verhalten sich wie Wölfe im Schafspelz und entgehen
dadurch der Erkennung und Zerstörung durch Abwehrzellen“, sagt Marcel Renn, ebenfalls
Erstautor der Studie.
Das Immunsystem kann Tumore bekämpfen – aber auch schützen
Auf der Suche nach den zugrunde liegenden Mechanismen
brachten die Forscher feingewebliche Untersuchungen der Tumoren auf die
richtige Spur: Therapieresistente Melanome zeigten eine deutlich stärkere
Entzündungsreaktion mit vielen Fresszellen des Immunsystems, den sogenannten
Makrophagen. Ein hauptsächlich von diesen Immunzellen ausgeschütteter
Botenstoff - der Tumornekrosefaktor-alpha - konnte den Gestaltwandel der
Melanomzellen direkt in der Kulturschale im Labor herbeiführen. Die so
behandelten Zellen wurden in der Folge von den Abwehrzellen kaum noch erkannt.
„Das Immunsystem ist eben ein zweischneidiges Schwert“, erklärt Prof. Tüting.
„Es kann den Tumor bekämpfen – aber auch schützen.“ Solche Veränderungen im
Tumorgewebe sind wahrscheinlich von großer Bedeutung für die Ausbildung einer
Therapieresistenz. „Nach neueren Erkenntnissen ist davon auch die Behandlung
mit Hemmstoffen betroffen, die die Signalübertragung in Tumorzellen
unterbinden“, führt Prof. Tüting aus.
Melanomzellen verlieren ihre typischen Eigenschaften
Molekulargenetische Untersuchungen ergaben, dass
Melanomzellen aus therapieresistenten Tumoren die für Pigmentzellen typischen
Merkmale verloren hatten. Stattdessen zeigten sie Züge von Bindegewebszellen.
„Diesen Gestaltwandel können Melanomzellen möglicherweise deshalb so leicht
vollziehen, weil sie in der embryonalen Entwicklung von Zellen in der
Neuralleiste abstammen, die auch Bindegewebs- und Nervenzellen ausbilden
können“, sagt Prof. Dr. Michael Hölzel, Mitautor aus dem Institut für klinische
Pharmakologie und klinische Chemie am Universitätsklinikum Bonn.
Ergebnisse lassen sich auch auf den Menschen übertragen
Die zunächst in einem Tiermodell in Bonn gewonnenen
Erkenntnisse wurden an der Universitätsmedizin Mainz an menschlichen Melanomzellen mit
dazugehörigen Abwehrzellen unterschiedlicher Antigenspezifität in der
Kulturschale nachvollzogen. Die Melanomzellen reagierten auf den Botenstoff
Tumornekrosefaktor-alpha ebenfalls mit einem Verlust der
Pigmentzell-Eigenschaften und konnten dann von Pigmentzell-spezifischen
Abwehrzellen nicht mehr erkannt werden. „Die Erkennung durch andere
Abwehrzellen, die spezifische genetische Veränderungen in den Melanomzellen
aufspüren können, war hierdurch jedoch nicht beeinträchtigt. Dies bestätigt die
Relevanz solcher Antigene, die wir in Mainz in verschiedenen Patientenmodellen
nachgewiesen haben“, betont Prof. Dr. Thomas Wölfel, Leiter der an der Studie
beteiligten Arbeitsgruppe an der III. Medizinischen Klinik der
Universitätsmedizin Mainz und ebenfalls Co-Autor der Studie.
Wichtige Erkenntnisse für neue Behandlungsstrategien
Sobald jedoch der Tumornekrosefaktor-alpha nicht mehr auf
die Melanomzellen des Menschen und der Maus einwirkte, gewannen sie ihre
Pigmentzell-Eigenschaften wieder zurück. Dann konnten sie auch wieder von allen
Immunabwehrzellen erkannt und bekämpft werden. Aus all diesen Erkenntnissen
ergeben sich wichtige Hinweise für neue Behandlungsstrategien. So sollten in
Zukunft Abwehrzellen gegen Antigene unterschiedlicher Kategorien und Spezifität
zum Einsatz kommen und gleichzeitig die von den Tumorzellen ausgenutzte
Entzündung therapeutisch gebremst werden. „Unser experimentelles Modellsystem
wird uns dabei helfen, möglichst rasch optimal wirksame Kombinationstherapien
zu entwickeln“, sagt Prof. Tüting. „Bis zur klinischen Anwendung derartiger
Strategie werden jedoch noch einige Jahre
vergehen.“
Publikation:
Melanomas resist T-cell therapy through inflammation-induced reversible
dedifferentiation, Nature, DOI: 10.1038/nature11538
Quelle: www.uni-bonn.de