15. Oktober 2012

Wasseranalytik feiert 100. Geburtstag


Seit genau einem Jahrhundert werden in Niedersachsen in staatlichen Laboren Wasserproben untersucht. „100 Jahre Wasseranalytik in Niedersachsen" ist deshalb auch das Thema des Niedersächsischen Gewässerforums, das noch bis Mittwoch in Hildesheim stattfindet.

„100 Jahre sind ein beeindruckendes Jubiläum, zu dem ich allen Mitarbeitern und allen Ehemaligen herzlich gratuliere", sagte die zuständige Staatssekretärin im Umweltministerium Ulla Ihnen, die zur Eröffnung des Forums auch einen Glückwunsch von Umweltminister Stefan Birkner überbrachte. Ihnen lobte die professionelle Arbeit des NLWKN-Labors und stellte klar, dass die Arbeit der Mitarbeiter dort sehr wichtig sei für die Gewässerqualität der Flüsse, Bäche und Seen in Niedersachsen. „Die Kompetenz geht weit über die reine Erzeugung von Messwerten hinaus. 

Ob es um die Entwicklung von umweltbezogenen Messprogrammen geht, um gutachterliche Tätigkeiten oder um die fachliche Einflussnahme auf analytische Aspekte in Gesetzgebungsverfahren: Die Spezialkenntnisse der Mitarbeiter des NLWKN sind unentbehrlich", sagte Ihnen. Und weiter: „Als im Jahre 1912 die Abwasseruntersuchungsstelle in Hildesheim gegründet wurde, ging es darum, die Salzbelastung der Flüsse im Hildesheimer Raum zu analysieren." Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz gehört u.a. mit seinem heute für ganz Niedersachsen tätigen komplexen Laborbetrieb zum Geschäftsbereich des niedersächsischen Umweltministers.

Waldemar Bülow, heutiger Leiter des Labors in Hildesheim, wies darauf hin, dass sich aus dem kleinen Hildesheimer Labor ein komplexer Laborbetrieb mit sieben Laborstandorten in ganz Niedersachsen entwickelt habe: „Das Aufgabenspektrum umfasst inzwischen unter anderem Radioaktivitätsuntersuchungen ebenso wie toxikologische Wasserprüfungen, um Giftwirkungen im Gewässer nachzuspüren".

Prof. Dr. Joseph Hölscher, Leiter der Betriebsstelle Hannover-Hildesheim des NLWKN, sagte: „Die klassische Wasseranalytik inklusive der Untersuchungen zur Salzbelastung ist nach wie vor ein wichtiges Thema, die chemischen Untersuchungen haben sich aber stark weiterentwickelt." So untersuche das Labor heute hunderte verschiedener Substanzspuren in unvorstellbar kleinen Konzentrationen. Hierzu zählen unter anderem Schwermetalle, Medikamente, organische Schadstoffe, Bootsanstriche und eine Unzahl von verschiedenen Pflanzenschutzmitteln. Bei einigen organischen Stoffen und einigen Schwermetallen kann das Labor bis in den unteren Nanogrammbereich, neuerdings sogar bis in den Picogrammbereich pro Liter messen. Wie niedrig diese Konzentrationen sind, machte Bülow an einem Beispiel deutlich: Die Inhaltsstoffe einer im Maschsee aufgelösten Kopfschmerztablette könne das NLWKN-Labor nachweisen.

„Schaumberge auf den Flüssen als sichtbare Verunreinigung gehören zwar der Vergangenheit an - aber trotzdem müssen wir weiter auf die Qualität unserer Gewässer achten", warnte Bülow. „Es handelt sich oft um Mikroverunreinigungen, die nur mit feinsten analytischen Methoden nachweisbar sind". Er nannte ein Beispiel: In den 90er Jahren verschwanden fast unmerklich einige Schneckenarten aus den niedersächsischen Gewässern. Am auffälligsten sei das Fehlen der großen Gehäuse der Wellhornschnecke an den Nordseestränden gewesen. Verursacher war eine Substanz, die bereits in seinerzeit unmessbar geringen Konzentrationen den Stoffwechsel der Tiere veränderte und sie fortpflanzungsunfähig machte. Der Stoff wirkte wie ein Sexualhormon und entstammte speziellen Schiffsanstrichfarben, sogenannten Organozinn-Verbindungen. „Niedersachsen hat mit seinen Untersuchungen maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Stoffe 2003 als Schiffsanstriche verboten wurden".

An den Meeresküsten habe sich die Belastung mit giftigen Stoffen bereits messbar verringert - aber in den Flüssen finden die Experten des NLWKN immer noch Konzentrationen über dem nach Europarecht zulässigen Grenzwert. Bülow: „Die einzelnen Substanzen der Antibabypille sind in unseren Gewässern nachweisbar, da sie in nennenswerter Menge die Kläranlagen überwinden können. In England oder Österreich haben diese Stoffe zu Veränderungen der Fischfauna geführt".

Mit dem mehrere Millionen Euro teuren Gerätepark des NLWKN-Labors werden jährlich ca. 21.000 Umweltproben untersucht. Aus den Proben werden 370.000 Einzelbestimmungen durchgeführt. Das Labor des NLWKN hat erst im vergangenen Jahr ein besonderes Gütesiegel erhalten - alle sieben Standorte wurden nach einem aufwändigen und mehrtägigen Prüfungsverfahren akkreditiert; damit wurde das hohe Niveau im Bereich der Analytik von Wasser, Oberflächenwasser wie Grundwasser, von Abwasser und Sedimenten auch formal anerkannt.

Die sieben Standorte des NLWKN-Wasserlabors sind in einer Organisationseinheit gebündelt, hier hat sich ein leistungsfähiger Analytik-Expertenkreis entwickelt: „Die Spezialisierung einzelner Standorte und die Neuordnung der Aufgaben führten zu einer besseren Auslastung der Messgeräte; gleichzeitig wurden der Leistungskatalog und die Qualität der angebotenen Analytik gesteigert", sagte Hölscher.