30. November 2012

Elektronik der nächsten Generation: Spintronik


Datenübertragung mit unerreichter Schnelligkeit, elektronische Bauteile im Miniaturformat – das sind Zukunftsvisionen von Forschern auf dem Gebiet der "Spintronik". Physiker der Universität Münster sind auf dem langen Weg dahin einen kleinen Schritt vorangekommen: Sie haben eine neue Quelle für elektromagnetische Strahlung, wie sie beispielsweise für Rundfunk und Mobiltelefone eingesetzt wird, im Mikrowellen-Frequenzbereich entwickelt.

Die Strahlungsquelle wird nicht mit elektrischem Strom, sondern mit magnetischem Spin-Strom betrieben. Da sie extrem winzig ist – kleiner als ein Millionstel Millimeter – und ihr Frequenzbereich leicht zu verschieben ist, könnten derartige Bauteile in Zukunft beispielsweise für Mobiltelefone im Miniaturformat eingesetzt werden. Da kein elektrischer Strom durch die Strahlungsquelle fließt, spielen Probleme wie Überhitzung oder Materialzersetzung, die sonst in elektrischen Geräten auftreten können, keine Rolle. Die Studie, an der auch Wissenschaftler aus den USA beteiligt waren, ist im angesehenen Fachmagazin "Nature Materials" veröffentlicht.

Der Elektronen-Spin ist eine quantenmechanische Größe, die das "magnetische Moment" von Elektronen, eine Art Drehbewegung mit einem entsprechenden Drehimpuls, beschreibt. Elektrische Ströme nutzt man in alltäglicher Elektronik. Spin-Ströme bilden die Basis für Spintronik. In einem spintronischen System ermöglichen die Spin-Ströme eine schnelle Datenübertragung, -bearbeitung und -speicherung. Dadurch, so die Vision der Wissenschaftler, könnte einst der Quantencomputer Wirklichkeit werden, der die leistungsstärksten Supercomputer von heute bei Weitem übertrifft.

Die breite Anwendung von Spin-Strömen ist Zukunftsmusik. Reine Spin-Ströme haben Wissenschaftler aber in Experimenten beispielsweise schon eingesetzt, um ein "elektronisches Rauschen" zu unterdrücken, das durch thermischen Schwankungen in magnetischen Nanobauteilen verursacht wird, oder um sich ausbreitende magnetisierende Wellen zu verstärken. Einen Generator, der elektromagnetische Wellen selbstständig ausstrahlt, hat vor dem münsterschen Team jedoch noch niemand mit Spin-Strömen realisieren können. "Mit unserer Studie schlagen wir bei der Anwendung nanoskaliger Mikrowellenquellen einen neuen Kurs auf dem Weg zu elektronischen Geräten der nächsten oder übernächsten Generation ein", betont Prof. Dr. Sergej Demokritov vom Institut für Angewandte Physik, der federführend an der Studie beteiligt war.

Originalliteratur:
Demidov V. E. et al. (2012): Magnetic nano-oscillator driven by pure
spin current. Nature Materials (Advance online publication), DOI: 10.1038/NMAT3459

Links:
Originalpublikation in Nature Materials
Angewandte Physik/AG Prof. Demokritov
Materialphysik/AG Prof. Schmitz (Mitautor)