Es gibt viele Situationen im Leben, in denen sich Schummeln anbietet, um einen Vorteil zu erlangen etwa, wenn man bei der Steuererklärung ein niedrigeres Einkommen angibt als zutrifft oder wenn man dem Chef vorgaukelt, das ganze Wochenende durchgearbeitet zu haben. In allen Weltreligionen und Moralsystemen hat Ehrlichkeit einen sehr hohen Stellenwert, sagt Prof. Dr. Armin Falk, Direktor der Abteilung für empirische Wirtschaftsforschung der Universität Bonn und Programmdirektor am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). So verbietet etwa im Christentum das Achte Gebot zu lügen. Ökonomen gehen jedoch davon aus, dass Menschen zur Lüge neigen, wenn es sich lohnt, fügt Prof. Falk hinzu.
Beim Münzwurf gab es für die Zahl 15 Euro
Wie weit das Lügen in Deutschland tatsächlich verbreitet ist, untersuchten die Wissenschaftler mit einem einfachen Experiment. Das Sozial- und Marktforschungsinstitut infas in Bonn befragte 700 zufällig ausgewählte Personen in Deutschland am Telefon. Die Aufgabe: Die Probanden sollten eine Münze werfen. Wer angab, Zahl geworfen zu haben, bekam 15 Euro. Wer Kopf warf, bekam nichts. Damit war die Verführung schon sehr groß, in der Umfrage einfach `Zahl´ anzugeben, da niemand am Telefon nachprüfen konnte, ob dies tatsächlich zutraf, berichtet Erstautor Dr. Johannes Abeler von der Universität Oxford, der zusammen mit Prof. Falk das Experiment durchführte.
Die Statistik kann Schummeleien enttarnen
Die Forscher konnten jedoch indirekt feststellen, wie viele der Testpersonen gelogen hatten. Die Chance, Kopf oder Zahl zu werfen, ist genau gleich groß 50 : 50, erläutert Prof. Falks Mitarbeiterin und Mitautorin Anke Becker. Das Ergebnis war überraschend: Nur 44,4 Prozent der Befragten gaben an, Zahl geworfen und damit Anrecht auf die 15 Euro zu haben. 55,6 Prozent sagten Kopf und gingen damit leer aus. Die Wissenschaftler boten in einer weiteren Untersuchung die Möglichkeit, nur ein bisschen zu schummeln: Die Probanden sollten insgesamt vier Mal eine Münze werfen, wodurch nur teilweise gelogen werden konnte. Doch auch diesmal gaben weniger als 50 Prozent der Befragten an, eine Zahl geworfen zu haben und damit einen Gewinn von diesmal fünf Euro zu bekommen.
Beim Lügen kommt es offenbar auf die Situation an
Damit beriefen sich sogar deutlich weniger Probanden darauf, Zahl geworfen zu haben als statistisch vorgegeben, sagt Dr. Abeler, der an der Universität Bonn promoviert hat. Vorangegangene Studien in Laborumgebungen hatten hingegen gezeigt, dass etwa 75 Prozent der Befragten angaben, Zahl geworfen zu haben. Offenbar ist Lügen situationsbedingt, schließt Prof. Falk aus den Ergebnissen. Die Probanden wurden zuhause in ihrer privaten Umgebung befragt. In diesem geschützten Raum soll wahrscheinlich das Selbstbild der `ehrlichen Haut´ nicht unnütz zerstört werden. Im geschäftlichen Bereich könne dies jedoch ganz anders aussehen, ergänzt der Ökonom: Wer zum Beispiel im Beruf lügt, kann sich unter Umständen damit trösten, dass er das für seinen Arbeitgeber macht.
Studie hat Konsequenzen für Wissenschaft und Geschäftsleben
Die Ergebnisse haben aus Sicht der Forscher absehbar weit reichende Konsequenzen für Wissenschaft und Geschäftsleben. In Verhaltensexperimenten wurde bislang sehr stark darauf geachtet, Anreize für wahrheitsgemäße Auskünfte zu schaffen das scheint in diesem Ausmaß nicht erforderlich zu sein, sagt Dr. Abeler. Und mit Blick auf die Staatsfinanzen: Wenn ein nicht zu anonymes Umfeld gewählt und an das Selbstwertgefühl appelliert werde, könne vielleicht sogar die Steuerehrlichkeit gefördert werden.
Publikation: Truth-Telling: A Representative Assessment, Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, IZA DP No. 6919